Zahnimplantat: Keramik oder Titan?

Dr. med. dent. Christian Schubert hat ein Video zum Thema «Keramik- oder Titanimplantat. Welches Implantat passt zu Dir?» gedreht. Mit Erlaubnis von Dr. Schubert publizieren wir das Video sowie die redaktionell aufbereitete Textversion seines Beitrags.

 

Anmerkung: Das Video wurde von Dr. Christian Schubert unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung wurde die Textversion gekürzt.

Immer wieder stellt sich für Patientinnen und Patienten die Frage: «Wofür soll ich mich entscheiden – für das Titanimplantat oder Keramikimplantat?». Nachfolgend wollen wir Ihnen zeigen, wie bei dem einen System im Vergleich zu dem anderen die Unterschiede sind und wo die Vorteile liegen. Wir wollen auch Eigenschaften, ästhetische Belange sowie preisliche Belange gegenüberstellen und am Ende ganz klare Orientierung geben, sodass Sie sich objektiv entscheiden können.

Die Frage entwickelt sich so langsam. Im Moment setzen wir in der Praxis ungefähr 60-70% Titanimplantate. Weltweit sind es weit über 90% im Vergleich zum gesamten Aufkommen von Zahnimplantaten. Trotzdem nimmt der Anteil der Keramikimplantate zu. Das hat Gründe, die wir hier gerne beleuchten möchten.

Sicherheit

Wenn man von der Sicherheit spricht, meint man vor allen Dingen wissenschaftlich belastbare Studien, und zwar wo und wie lange es diese Studien gibt und wie hochwertig sie sind. Hier haben Titanimplantate ein Plus gegenüber Keramikimplantaten, weil die Titanimplantate schon länger am Markt sind. Dadurch sind sie auch weltweit viel besser erprobt.

Ästhetik

Hier kann man schon auf den ersten Blick erkennen, dass ein dunkles Titanimplantat im höchstästhetischen Bereich unter Umständen Nachteile gegenüber Keramikimplantaten aufweist. Und so ist es natürlich auch. Wenn wir mal über die Oberkieferfront bzw. ein breites Lachen sprechen, kann es schon passieren, dass gerade bei einem dünnen Zahnfleischtyp von einem perfekt sitzenden Implantat unterhalb des Zahnfleisches, selbst wenn da minimal Knochen darüber ist, ein leichter Schimmer an Grau durchkommt. Und das ist bei Keramik nahezu ausgeschlossen, weil man hier ähnlich diesem Modell ein weisses oder nahezu weisses Keramikimplantat inseriert. Dadurch wird der optische Effekt in der Transluzenz durch das Zahnfleisch hindurch wesentlich schöner.

Biokompatibilität

Auch hier ist es so, dass die Innovation eindeutig den Vorteil erzielt. Biokompatibilität bedeutet, dass das Material keine allergischen Reaktionen auslöst. Bei beiden Systemen gibt es sie eigentlich nicht. Bei reinem Titan ist es so, dass die klassische Allergie gegen Null geht. Bei Titan gibt es aber den Nachteil, dass bei der Belastung sowie beim Einbringen, beim Kauen und beim Zähneputzen, insbesondere wenn Oberflächenanteile minimal freiliegen, die sogenannten Titanoxidpartikeln austreten können. Und diese können im Blut durch das Eintreten von Makrophagen eine Entzündungsreaktion auslösen. Diese Entzündungsreaktion, die im Verlauf einer Behandlung oder auch später auftreten kann, kann dazu führen, dass es auch bei der Einheilung Probleme gibt. Das ist bei Keramikimplantaten anders: Der Titanoxid-Anteil ist hier komplett entfernt. Deswegen hat das Keramikimplantat hinsichtlich der Biokompatibilität einen Vorteil. Wir können diese Reaktion bei jedem Patienten auch emittieren, indem wir Blut entnehmen. Bei grösseren Fällen kann man aber auch natürlich bei jedem einzelnen Zahnimplantat einen Bluttest machen, der etwa 200 EURO im Labor kostet. Dann wissen wir ziemlich genau, ob ein Patient eine erhöhte Entzündungsreaktion zeigt oder eine normale bis geringfügige. So können wir eine Empfehlung geben, ob man die Keramikvariante oder ganz entspannt bei Titan bleiben darf.

Stoffeigenschaften

Hier hat man verschiedene Faktoren zu berücksichtigen. Bei Zugfestigkeit und Druckfestigkeit schneidet derzeit das Keramikimplantat besser ab als Titanimplantat. Trotzdem bleibt Titan von der Praktikabilität und Belastbarkeit her auch sehr gut. Diese minimalen Unterschiede, die im Vergleich auftreten, zeigen in der Praxis kaum Relevanz. Deswegen kann man die beiden Systeme – auch was Materialeigenschaften angeht – absolut objektiv empfehlen. Bei der Sprödizität, d.h. bei der Tendenz, dass etwas abplatzen kann, hat Keramik Nachteile gegenüber Titan. Das ist der einzige materialimmanente Nachteil im Vergleich dieser Systeme. In puncto Elastizität, die das Verhältnis von Belastbarkeit und Biegung beschreibt, hat Keramik Vorteile gegenüber Titan. Was die Variabilität und Indikationsbreite anbetrifft, hatte das Titanimplantat durch seine lange marktbeherrschende Position viele Vorteile: Viele Durchmesser, sehr viele Studien und sehr viele Möglichkeiten, individuelle Aufbauten zu planen und die ganz speziellen Situationen auszuspielen. Man muss aber auch sagen, dass Keramiksysteme mittlerweile deutlich aufgeholt haben. Der grösste Faktor, der in der Variabilität eine Rolle spielt, ist das zweiteilige Implantat. Früher sah das Implantat so aus, dass man dieses System nur so implantieren konnte, dass ein Teil in den Kiefer gesetzt wurde. Der Aufbau war schon Teil des Implantats, weil es aus einem Stück gefertigt wurde und dadurch seine Stabilität erhielt. Man kann sich aber vorstellen, dass dieser Stift dann irgendwo im Bereich der Zähne lagerte und schon alleine dadurch, dass er den Zungenraum irritierte und beim Sprechen zu Problemen führte, eben auch ein Problem darstellte, das zu den Einschränkungen für die Einheilung führte. Die Innovation besteht darin, dass Keramikimplantat-Systeme mittlerweile zweiteilig sind. Man hat also das Implantat für den Kiefer. Dieses heilt mit einer flachen Abdeckkappe ein. Bei einer Versorgung wird der Aufbau mit einer Karbonschraube fixiert. Das Ganze funktioniert ähnlich in der Mechanik und stellt eine absolut tolle Variante dar. Durch die Achsen, die man im Kiefer hat, hat man das Implantat im Kiefer etwas schräg auszurichten, weil der Kiefer so anatomisch vorgeformt ist und die Krone so axial stehen soll. Wenn wir hier variieren können, auch wenn es nur einige Grad sind, scheint es bis 30 Grad realistisch zu sein, dass man individuelle Aufbauten setzen kann. So haben wir den grössten Faktor, dass das Titanimplantat dem Keramikimplantat überlegen war, schon ausgeschlossen. Das hat zur Folge, dass wir jetzt nach und nach bei Aufbauteilen individueller Art, wenn der ganze Kiefer mit Lokatoren und Teleskopen oder anderen Stegelementen versorgt werden soll, wesentlich individueller arbeiten können und somit auch bei speziellen Fällen reagieren können. Die Variabilität bei Titan ist grundsätzlich noch höher. In dieser Hinsicht bietet Titan einen Vorteil.

Preis

Die Innovation ist im Preis höher gelagert. Was schon länger am Markt ist, etabliert ist und millionenfach eingesetzt und verkauft wurde, ist günstiger. Beim zweiteiligen Keramikimplantat mit einer Keramikkrone hat man im Vergleich zum Titanimplantat mit einer Keramikkrone ungefähr einen Mehraufwand von 150 bis 300 EURO zu kalkulieren. Das wird sich über die Zeit wahrscheinlich anpassen.

Praxisanwendung

Hier ist man in zwei Bereichen unterwegs: Implantologie und Zahnersatz. Im Bereich Zahnersatzkunde gibt es zwischen Titan und Keramik nur geringfügige Unterschiede. Im Bereich Implantologie muss man bei Keramik noch etwas sensitiver sein. Das heisst: Man hat mit wesentlich weniger Druck und wesentlich weniger Kraft auszukommen. Bevor man das Implantat setzt, sollte der Knochen perfekt dafür vorbereitet sein. Mit weniger Druck und Kraftaufwand sorgt man dafür, dass das Implantat nahezu spannungsfrei und ohne Erhitzung des Knochens inseriert wird und sogenannte axiale Veränderungen mit dem direkten Einbringen des Implantats nicht mehr kompensierbar sind. Deswegen hat man bei Keramikimplantaten wesentlich besser zu planen. Es geht so weit, dass es diskutiert wird, dass man bei jedem Keramikimplantat ein 3D-Bild machen könnte. Im Frontbereich ist es auf jeden Fall anzuraten, weil man in puncto Ästhetik ein immer besseres Ergebnis erzielt.

Das Keramikimplantat ist von der Oberfläche her glatter als das Titanimplantat. Die Rauigkeit beim Titanimplantat sorgt dafür, dass es sehr gut einheilt, wobei das Keramikimplantat richtig glatt ist. Dadurch hat es den Vorteil hinsichtlich der Entwicklung von Entzündungen. Periimplantitis, so sehen die aktuellen Studien aus, scheint bei Keramikimplantaten eine noch geringere Rolle zu spielen als bei Titanimplantaten.

Fazit: Keramik- oder Titanimplantat?

Nun können Sie selbst entscheiden. Wenn man der Klassiker ist, bleibt man bei Titan. Ist man innovativ, wählt man Keramik. Wenn man Ästhetik im Vordergrund sieht und darauf Wert legt, dass alles wunderbar weiss und naturnah aussieht, wählt man Keramik. Wenn man die Sicherheit lebt und preissensitiv ist, wählt man Titan – obwohl Leistungen im Bereich Implantologie Privatleistungen sind. Wenn man metallfrei leben will, entscheidet man sich für Keramik.

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